„Afrika ist kein Testlabor“ - Kontinuitäten von Kolonialismus und Rassismus im europäischen Blick auf Afrika in der Corona-Krise

NARUD-Intervention – „Afrika ist kein Testlabor“        28. April 2020

Kontinuitäten von Kolonialismus und Rassismus im europäischen Blick auf Afrika in der Corona-Krise

„Afrika ist kein Testlabor“, twitterte Didier Drogba, nachdem sich am 1. April sich auf dem französischen Fernsehsender LCI zwei Mediziner darüber ausgetauscht hatten, dass Impfstoffe gegen Corona doch prima in Afrika getestet werden könnten. Der Fußballstar von der Elfenbeinküste war nur eine von vielen Stimmen einer schnell entfachten Empörungswelle, mit der sich die lebendigen afrikanischen Zivilgesellschaften sowie die afrikanischen Diasporen in Europa zur Wort meldeten und die Kontinuitäten von Kolonialismus und Rassismus anklagten, wie sie sich einmal mehr im Gespräch der beiden französischen Forscher geäußert hatten.      

Jean-Paul Mira, Chefarzt an einem auch in der Forschung engagierten Pariser Krankenhaus, hatte in einer TV-Talkshow Camille Locht, Forschungsdirektor eines staatlichen Instituts, das für das Gesundheitsministerium zu einem Impfstoff gegen das Coronavirus forscht, gefragt: „Wenn ich provokativ sein würde – sollten wir diese Studie nicht auch in Afrika durchführen, wo es keine Masken, keine Behandlungen, keine Wiederbelebungsmethoden gibt?… So wie es auch bei einigen Studien zu Aids gemacht wurde. Bei Prostituierten kann man experimentieren, weil man weiß, dass sie besonders exponiert sind und sich nicht schützen.” Damit bezog er sich auf HIV-Impfversuche, die an Prostituierten in Uganda und Südafrika durchgeführt worden waren. Der Forscher antwortete: “Sie haben recht, wir überlegen, eine parallele Studie in Afrika durchzuführen.“

Erst der schnell über die beiden in alter Kolonialherrenmentalität über Afrika parlierenden TV-Experten hereinbrechende Shitstorm musste sie belehren, dass Afrikaner*innen selbst dazu auch etwas zu sagen haben und dies sich in Zeiten globalisierter Social Media-Öffentlichkeiten auch schnell verbreitet: Kaum hatte der kenianische Blogger Bravin Yuri kommentiert: „Afrika hat die geringsten Zahlen von Covid-19-Infektionen und Toten weltweit. Und dennoch wollt ihr Impftests in Afrika einführen, als wären wir Laborratten“, da entstand auch schon der Twitter-Hashtag #AfricansAreNotLabRats. Dort war z.B. zu lesen: „Wenn in Paris Bomben gezündet werden, zeigen wir alle Solidarität, obwohl sie umgekehrt Afrikaner nicht als Menschen betrachten.“ Die Anti-Rassismus-Gruppe SOS Racisme forderte schließlich Frankreichs Medienaufsichtsbehörde auf, die Äußerungen formell zu verurteilen, was jedoch nicht geschah. Stattdessen wanden sich die beiden Mediziner zwischen Entschuldigungen und Erklärungen, sie seien missverstanden worden, hin und her. 

Doch die Sensibilität bei diesem Thema für die Kontinuitäten von Kolonialismus und Rassismus, die in vielen empörten Kommentaren zum Ausdruck gebracht wurde, ist leider allzu berechtigt – und nicht nur auf Frankreich bezogen. Derzeit hören wir in Deutschland ja fast täglich vom Robert-Koch-Institut. Doch wie wirkte der Namensgeber in Afrika? Robert Koch erforschte auf zwei Expeditionen Mittel gegen die Schlafkrankheit. Dies war eingebunden in die Aufgabe der Medizin im Kolonialismus, Gesundheitsfürsorge für Siedler, Kolonialbeamte und Militärs zu leisten und die Kolonien rentabel zu machen, indem man die Arbeitskraft der Kolonialuntertanen erhält. Dafür war Koch bereit, Mittel an Afrikaner*innen zu testen, deren schwere Nebenwirkungen bekannt waren. Zwar infizierte der Nobelpreisträger wohl nicht bewusst seine afrikanischen Versuchspersonen. Dies unterschied seine Tests noch von den späteren Menschenversuchen nationalsozialistischer Mediziner in deutschen KZs. Doch die billigend in Kauf genommenen Nebenwirkungen bei bereits Erkrankten waren sehr schmerzhaft, dennoch wurden hohe Dosen verabreicht, die sogar oft zu Erblindungen der Testpersonen führten. Außerdem wurde die Medizin zwangsweise verabreicht, wie der Kolonialismus-Experte Jürgen Zimmerer in einem Interview mit der Welt darstellte: „Dass die Kolonialherrschaft die Afrikanerinnen und Afrikaner nicht schützte, darin lag auf jeden Fall Rassismus.“ Denn solche Tests wären auch damals kaum in Deutschland an weißen Deutschen vollziehbar gewesen.  Weiter...

 

 

 

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Afrika ist kein Testlabor!