Rechtsextremistischer Terror in Hanau

Die Berichterstattung und einige Stellungnahmen nach dem rechten Terroranschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau

Nach dem rechtsextremistischen Terroranschlag in Hanau, der für sich genommen schon grausam, verstörend und unmenschlich genug war, erschaudert man an manchen Stellen der Berichterstattung ein zweites Mal.

So aufschlussreich und wissenswert nach einer solchen Tat die Beschäftigung mit dem Täter, seiner Sozialisation und seinen Motiven auch immer ist, gerade mit dem Blick auf eine gute Präventionsstrategie für die Zukunft - dahinter verschwinden die Opfer. Sie werden zu einer reinen abstrakten Zahl, und das ist auffällig, in der Mehrzahl der Berichterstattung.

Deshalb bietet dieser Blogeintrag eine unvollständige Auswahl an Einschätzungen aus der Perspektive von Schwarzen Menschen und People of Color zu dem Anschlag in Hanau, um auch Ihre Einschätzungen zu Wort kommen zu lassen.

Der deutsch-israelische Psychologe Ahmad Mansour beschäftigt sich mit der Dimension des Terrors aus der Perspektive der Menschen mit Migrationsgeschichte in seinem Essay "Für immer in die Seele gebrannt". Was bewirkt die Erfahrung eines Terroranschlags? Welche Menschengruppen werden davon traumatisiert neben den Angehörigen der Opfer? Welche Art der Hilfe und Unterstützung ist gefordert? Das sind die Fragen mit denen sich sein lesenswertes Essay beschäftigt.

Rechter Terror ist nicht erst seit der Ermordung von Walter Lübcke präsent. Der Regierungsrat war ihr bisher prominentetes Opfer. Die Mordserie des NSU unter der Beobachtung des Akten schreddernden Inlandsgeheimdienstes schien ein erstes kurzes "Aufwachen" für die Bevölkerungsmehrheit zu bewirken. Doch es gibt eine lange Liste seit den 1990er Jahren, die die Gefahr von Rechts belegt, und die offiziellen Zahlen der Behörden weit übersteigt. Ein Blick hinein kann nie schaden.

Zwei Tage nach dem Anschlag in Hanau fand in Berlin der Bundeskongress der neuen deutschen organisationen (ndo) statt. Das postmigrantische Netzwerk fordert in seiner aktuellen Presseerklärung: "Wir brauchen kein Mitgefühl, sondern Schutz. Eine Demokratie misst sich am Umgang mit ihren Minderheiten." Wie kann ein solcher Schutz aussehen?

Das könnte mit einer grösseren Sensibilität im Umgang mit der Sprache beginnen. Ein typisches Beispiel hierfür, der in der politischen Diskussion, der immer wieder als Argument ins Gespräch gebrachte "Nutzen" oder "Vorteil"  beim positiven Bezug auf das Thema Einwanderung. Denn das Nutzen-Kalkül ist eine Anbiederung an Neurechtes Denken. ndo-Sprecherin Ferda Ataman stellt dem die postmigrantische Position entgegen "... es ist unser Recht hier zu sein ".

Das gleiche gilt für den immer noch verwendete Begriff der "Fremdenfeindlichkeit". Die Menschen mit Migrationsgeschichte sind nicht fremd in diesem Land. Sie sind ein Teil dieser Gesellschaft. Oft schon seit Generationen. Das sollte in Deutschland mit einem Blick auf inzwischen 65 Jahren Einwanderungsgeschichte nach dem zweiten Weltkrieg, nicht mehr so ungewöhnlich als Tatsache anzuerkennen sein.

Nicht nur die Kölner Journalistin Sheila Mysorekar hat einen passenderen Begriff für das Motiv einer Tat wie in Hanau: Rassismus! Und Sie macht darauf aufmerksam, dass man traurig und wütend sei, aber nicht überrascht.

Sie macht die Zusammenhänge an einem Beispiel deutlich: " Seit Wochen hetzt die AfD Hessen mit Internet-Memes gezielt gegen Shisha-Bars und bezeichnet sie als Hort der "Ausländerkriminalität". Ist es da verwunderlich, wenn Rassisten auf diesen Köder anspringen? Der Mörder von Hanau ist keinesfalls ein Einzeltäter, denn er agierte in einem politischen und gesellschaftlichen Klima, in dem Minderheiten diskriminiert und insbesondere junge arabisch- und türkischstämmige Männer kriminalisiert werden. Unter dem Deckmantel "das wird man doch wohl mal sagen dürfen!" hat sich Rassismus im Denken der Mitte verankert."[1]

Aber auch ein Blick in die vom Bundesministerium des Innern veröffentlichten Zahlen aus 2018 für Politisch motivierten Kriminalität (PMK rechts) ist in der Tendenz minimal abgesunken, aber nach wie vor auf hohem Niveau. Allein die Hasskriminalität verzeichnet 7.153 Fälle. Mit einem Wort: Erschreckend.

Den Opfern ein Gesicht geben und sie als Menschen mit Biographien zeigen. Wenn die Angehörigen einverstanden, dann kann das der Anonymisierung entgegen wirken, die Menschen mit Migrationsgeschichte häufig erleben. Das war auch die Intention des Twitter-Hashtags #SayThereNames und die Redaktion der Hessenschau hat sich ebenfalls entschieden die Opfer des Anschlags mit Würde und Respekt auf ihrer Internetseite in Kurzportraits vorzustellen: Neun junge Hanauer... Das sind die ersten wünschenswerten Schritte in die richtige Richtung des Umgangs der Medien mit dem Anschlag in Hanau.

 

[1] = Rassistischer Terror in Deutschland, "Nie wieder"? Hoffentlich! von Sheila Mysorekar am 24.02.2020 veröffentlicht auf Quantara.de, Kurzlink: https://de.qantara.de/node/3918